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Entschädigung für Fluggäste bei Nichtbeförderung

Jährlich wird in Europa seitens europäischer Linienfluggesellschaften etwa 250.000 Fluggästen die Beförderung verweigert. Die Europäische Gemeinschaft hat nun ihre Rechtsvorschriften aus dem Jahr 1991 über Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für solche Fluggäste verschärft in der Absicht, die Fluggesellschaften von der Praxis übermäßiger Überbuchungen abzubringen, wobei sie einräumt, dass diese Praxis unmöglich ganz beseitigt werden kann. Das Europäische Parlament hat mit dazu beigetragen, dass die Fluggesellschaften außerdem mehr für die Betreuung von Flugpassagieren tun müssen, die wegen der Annullierung von Flügen und erheblicher Verspätungen Wartezeiten auf Flughäfen in Kauf nehmen müssen.

Die neue Verordnung, die im Februar 2005 in Kraft treten soll, legt EU-weite Vorschriften über Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste in drei Situationen vor: Nichtbeförderung (hauptsächlich infolge der Überbuchung von Flügen durch die Fluggesellschaften), Annullierung und große Verspätung. Die neuen Bestimmungen gelten für Nichtlinienflüge bzw. Charterflüge, einschließlich der Flüge, die im Rahmen einer Pauschalreise gebucht wurden, sowie für Linienflüge, und sie gelten nicht nur für Fluggäste, die von einem EU-Flughafen aus ihre Flugreise antreten, sondern auch für Passagiere, die von einem Flughafen in einem Drittstaat mit einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft in die Gemeinschaft fliegen.

Freiwilligenregelung für Fluggäste, denen die Beförderung verweigert wird

Die Zahl der Fluggäste, denen entgegen ihrem Willen die Beförderung verweigert wird, soll mit Hilfe einer neuen Methode verringert werden, die auf einem in den USA mit großem Erfolg angewandten, auf Freiwilligkeit basierenden System beruht. Falls für ein Luftfahrtunternehmen die Notwendigkeit absehbar wird, Fluggästen die Beförderung zu verweigern, muss es zuerst die Fluggäste ermitteln, die bereit sind, im Austausch für eine Ausgleichszahlung oder andere zwischen den Fluggästen und der Fluggesellschaft zu vereinbarenden Leistungen auf ihre Buchungen zu verzichten. Über diese Leistungen hinaus muss den Freiwilligen die Wahl zwischen einer Erstattung der vollständigen Kosten des Flugscheins (mit einem Rückflug zum ersten Abflugort) oder einem alternativen Flug zu ihrem Zielort (sogenanntes "re-routing") angeboten werden. Nur dann, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden, kann das Luftfahrtunternehmen Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern. In diesem Fall muss es ältere und behinderte Fluggäste und ihre Begleitpersonen sowie Kinder ohne Begleitung vorrangig befördern.

Entschädigung für Nichtfreiwillige

Fluggäste, denen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert wird, müssen größere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen als Freiwillige, und sollten deshalb nicht auf den Umfang der Ausgleichsleistungen angewiesen sein, die eine Fluggesellschaft anzubieten bereit ist. Statt dessen erhalten sie Anspruch auf Ausgleichsleistungen in einem festgelegten Umfang, was die Fluggesellschaften davon abbringen sollte, allzu großzügig von der Möglichkeit der Überbuchung von Flügen Gebrauch zu machen.

Als das Europäische Parlament Ende 2001 zum ersten Mal mit dem Ministerrat über die neuen Rechtsvorschriften verhandelte, hatte es zwei Hauptziele: die vorgeschlagene gesetzliche Regelung mit den realen Bedürfnissen der Fluggäste in Einklang zu bringen und den wirtschaftlichen Gegebenheiten der Fluggesellschaften Rechnung zu tragen. Die Praxis der Überbuchung von Flügen kann nicht vollständig abgeschafft werden, da die Fluggesellschaften sicherstellen müssen, dass ihre Flüge so weit wie möglich ausgelastet sind, um rentabel zu bleiben. Sie müssen deshalb im Voraus die voraussichtliche Zahl der Fluggäste, die den jeweiligen Flug trotz Buchung nicht antreten ("no-shows") kalkulieren und weitere Buchungen über die Kapazität des Flugzeugs hinaus akzeptieren. Wenn die Möglichkeit der Überbuchung nicht bestünde, müssten die Fluggesellschaften mit zu vielen leeren Sitzen rechnen, ihre Einnahmen und Gewinne würden zurückgehen und sie wären gezwungen, die Flugpreise zu erhöhen.

Die EP-Mitglieder vertraten die Ansicht, dass die von der Kommission ursprünglich festgelegten festen Ausgleichsraten (das Doppelte des durchschnittlichen Flugpreises in der Business Class für innereuropäische Flüge) für die Fluggesellschaften, die nach den Attentaten vom 11. September 2001 in den USA ohnehin bereits schwere Zeiten erleben, eine zu große Belastung darstellen würden. Die vorgeschlagenen Sätze lagen bei 750 Euro für Flüge bis zu 3500 km und 1500 Euro für Flüge ab 3500 km Entfernung. Das Parlament überzeugte den Rat von der Notwendigkeit der Verringerung der Sätze und führte ein dreigliedriges System für die Ausgleichszahlungen ein, das den Gegebenheiten der europäischen Passagierflüge eher gerecht wird: 250 Euro für Flüge von weniger als 1.500 km, 400 Euro für Flüge innerhalb der Gemeinschaft bis 1500 km und alle anderen Flüge zwischen 1500 und 3500 km und 600 Euro für alle übrigen Flüge. Es ging davon aus, dass Ausgleichszahlungen in diesem Umfang die Fluggesellschaften dazu bewegen würden, ihre Überbuchungsspannen vorsichtiger zu kalkulieren, ohne dabei ihre Rentabilität zu gefährden. Dem Parlament gelang es auch sicherzustellen, dass die Vorschriften neun Monate später als ursprünglich geplant in Kraft treten werden, so dass die Fluggesellschaften mehr Zeit haben, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Fluggäste, denen die Beförderung gegen ihren Willen verweigert wird, haben nicht nur Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich im genannten Umfang, sondern müssen - wie die Freiwilligen - die Wahl haben zwischen einer Entschädigung plus einem Rückflug zu ihrem ersten Abflugort und einem anderen Flug zu ihrem Zielort. Wenn den Fluggästen jedoch andere Flüge angeboten werden können, die es ihnen ermöglichen, nur wenig später als ursprünglich geplant an ihrem Zielort anzukommen, können die Ausgleichsleistungen gekürzt werden.

Nicht zuletzt haben die Fluggäste Anspruch auf Versorgungsleistungen in Form von Mahlzeiten und Erfrischungen, zwei unentgeltlichen Telefongesprächen, Telefaxen oder E-Mails sowie Hotelunterbringung und Beförderung zwischen Flughafen und Hotel, wenn eine Übernachtung nötig wird.

Milderung der Unannehmlichkeiten bei Annullierungen

Eine weitere unangenehme Überraschung, die Flugpassagiere mitunter erwartet, ist die Annullierung von Flügen. Nach der neuen Rechtsvorschrift haben Fluggäste, deren Flüge aus wirtschaftlichen Gründen annulliert wurden, einen Anspruch auf Erstattung des Flugpreises oder alternative Weiterbeförderung sowie auf einen Ausgleich zu mehr oder weniger den gleichen Bedingungen wie Fluggäste, denen die Beförderung verweigert wird. Ausgleichsleistungen sind jedoch nicht vorgesehen, wenn die Annullierung aufgrund unvorhersehbarer und nicht vermeidbarer Umstände erfolgt, wie politische Instabilität, extreme meteorologische Bedingungen oder unerwartete Flugsicherheitsmängel. Auch wenn die Fluggäste zwei Wochen im Voraus über die Annullierung informiert werden oder ihnen alternative Flüge angeboten werden, besteht kein Anspruch auf Ausgleichsleistungen.

Die Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, den Anspruch der Fluggäste auf Erstattungen und alternative Weiterbeförderung auf den Fall der Annullierung aus wirtschaftlichen Gründen zu beschränken. Das Parlament hat sich mit Erfolg für eine Änderung der Bestimmungen dahingehend eingesetzt, dass die Fluggäste ungeachtet der Gründe für die Annullierung Anspruch auf eine Erstattung oder alternative Weiterbeförderung plus Mahlzeiten, Erfrischungen und andere Versorgungsleistungen haben.

Erträglichere Wartezeiten

Ein weiteres Ärgernis bei Flugreisen, verspätete Flüge, wird im Rahmen der neuen Verordnung ebenfalls aufgegriffen. Die EP-Mitglieder erkannten an, dass die Fluggesellschaften in der Regel nicht für Verspätungen verantwortlich sind, die in den meisten Fällen auf Probleme des Flugverkehrsmanagements und andere Ursachen zurückzuführen sind. Sie vertraten jedoch die Ansicht, dass die Flugpassagiere im Fall von Verspätungen angemessen betreut werden sollten, wenn sie lange Wartezeiten auf Flughäfen in Kauf nehmen müssen. Dank ihrer Bemühungen enthält die Verordnung Bestimmungen, wonach die Fluggäste Anspruch auf Mahlzeiten, Erfrischungen, Telefongespräche und in einigen Fällen sogar Hotelunterbringung haben, wenn ihr Flug sich um zwei Stunden oder mehr, abhängig von der Flugdistanz, verspätet. Bei einer Verspätung von mindestens fünf Stunden werden den Fluggästen die vollständigen Kosten ihres Flugscheins erstattet und es wird ihnen ein Rückflug zum ursprünglichen Abflugort bei der nächsten Gelegenheit angeboten.

Vereinbarung von Unternehmensinteressen und Verbraucherschutz

Alles in allem wird mit der neuen Rechtsvorschrift versucht, den unterschiedlichen Interessen der Fluggesellschaften und der Fluggäste gerecht zu werden. Einerseits soll es den Luftverkehrsunternehmen ermöglicht werden, in einer vom Wettbewerb geprägten Branche zu bestehen, und andererseits soll garantiert werden, dass den Flugpassagieren einwandfreie Dienstleistungen geboten werden und sie für jegliche Unannehmlichkeiten entschädigt werden, die ihnen aufgrund der Nichterbringung dieser Dienstleistungen entstehen. Die EP-Mitglieder konnten die Kommission auch zu dem Versprechen bewegen, dass sie ähnliche Maßnahmen künftig auch für andere Arten der Passagierbeförderung, wie Eisenbahn und Schifffahrt, vorschlagen wird.



 

 

 
  Publishing deadline: 2 April 2004