Wenn die Europäische Zentralbank auch unabhängig von nationalen und gemeinschaftlichen Institutionen handelt, wenn sie ihre währungspolitischen Beschlüsse fasst, ist sie doch demokratisch rechenschaftspflichtig und nach dem EG-Vertrag verpflichtet, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat Bericht zu erstatten. Der EZB-Präsident spricht einmal jährlich im Plenum des Parlaments und erscheint mehrmals pro Jahr vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des EP. Außerdem spielt das Parlament eine beratende Rolle bei der Ernennung neuer Mitglieder des Direktoriums der EZB.
Die Leitung der EZB obliegt zwei Hauptgremien, dem EZB-Rat und dem Direktorium. In beiden führt der Präsident der EZB den Vorsitz (siehe Kasten). Der EZB-Präsident hat den Jahresbericht der Bank gemäß Artikel 113 des EG-Vertrags dem Plenum des Parlaments zu unterbreiten, was in der Regel im Juli geschieht. Dann haben die Mitglieder des Europäischen Parlaments die Möglichkeit, sich zur Währungspolitik der EZB zu äußern. Die Debatte wird mit einer parlamentarischen Entschließung abgeschlossen, in der bislang stets die Unabhängigkeit der Bank und ihrer Währungspolitik nachdrücklich unterstrichen wurde. Das Parlament steht auch immer hinter der EZB, wenn sie die Mitgliedstaaten dazu aufruft, strukturelle Wirtschaftsreformen verstärkt in Angriff zu nehmen. Allerdings gab es auch kritische Töne seitens der Mitglieder des Europäischen Parlaments, was die Informationspolitik der Bank angeht, und sie haben sie mehrfach aufgefordert, mehr Transparenz an den Tag zu legen.
Die Bank hat einige der Vorschläge des Parlaments akzeptiert, wie beispielsweise die Veröffentlichung von ökonometrischen Modellen, wenn sie auch anderen Vorschlägen noch zurückhaltend gegenüber steht. Eine seit langem vom Parlament erhobene Forderung ist die Veröffentlichung von zusammenfassenden Protokollen jeder Sitzung des EZB-Rates, einschließlich der Standpunkte sowohl der Befürworter als auch der Gegner einer Entscheidung. Das Parlament hat auch gefordert, dass Beschlüsse durch Abstimmung und nicht einvernehmlich gefasst werden, um der Bank zu ermöglichen, rascher auf wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren.
Ein weiterer Teil der demokratischen Überwachung der EZB ist der regelmäßige „monetäre Dialog“ zwischen dem Wirtschaft- und Währungsausschusses des Parlaments und dem Präsidenten oder dem Vizepräsidenten der Bank. Nach dem Vertrag „können“ die Mitglieder des Direktoriums von den Ausschüssen des EP gehört werden. Der erste EZB-Präsident, Wim Duisenberg, erklärte sich damit einverstanden, viermal jährlich im Wirtschaft- und Währungsausschuss Rede und Antwort zu stehen. Der neue Präsident, Jean-Claude Trichet, hat zugesagt, diese Übung beizubehalten. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments aller politischen Schattierungen nehmen diese Anhörungen sehr ernst und ergreifen gerne die Gelegenheit, dem Präsidenten Fragen nach der Rolle der EZB zu stellen und ihn zu Aussagen zu Inflationszielen, die wirtschaftliche Lage, Zinspolitik, Strukturreformen, den Stabilitätspakt und viele andere Themen zu veranlassen. Ein ausführlicher Bericht dieser Sitzungen wird im Internet veröffentlicht.
Die Satzung der EZB und die Ernennung von Mitgliedern des Direktoriums
Die Anhörung des Parlaments ist auch erforderlich, bevor die Satzung der Zentralbank geändert werden kann. Im März 2003 kritisierten die Mitglieder des Europäischen Parlaments einen Vorschlag, die Abstimmungsverfahren im EZB-Rat zu reformieren, wodurch der Rat in die Lage versetzt werden sollte, besser zu funktionieren, wenn das Euro-Währungsgebiet ausgeweitet wird. Das Parlament wollte die Regelung des uneingeschränkten Stimmrechts für alle Zentralbankpräsidenten im Euro-Währungsgebiet beibehalten, die zusammen mit dem Direktorium mittelfristige währungspolitische Entscheidungen treffen. Nichtsdestoweniger einigten sich die Finanzminister auf ein neues System, nach dem das Stimmrecht innerhalb der Länder des Euro-Währungsgebiets rotieren soll, so dass nicht alle Zentralbankpräsidenten jedes Mal abstimmen würden.
Das Parlament muss auch zur Ernennung aller Mitglieder des Direktoriums der EZB angehört werden. Das gilt auch für den Präsidenten. So wurde er während der laufenden Sitzungsperiode des Parlaments ersetzt, als die Mitglieder des Europäischen Parlaments die Ernennung von Jean-Claude Trichet als Leiter der Bank für eine Amtszeit von 8 Jahren billigten. Claude Trichet ist seit dem 1. November 2003 Präsident, nachdem Wim Duisenberg zurückgetreten ist. In der laufenden Mandatszeit der Mitglieder des Europäischen Parlaments hat das EP darüber hinaus die Ernennung des neuen Vizepräsidenten der EZB, Lucas Papademos, im Jahr 2002 sowie eines weiteren Mitglieds des Direktoriums, Gertrude Tumpel-Gugerell, im Jahre 2003 gebilligt.
Bevor das Parlament im Plenum über ihre Ernennung abstimmt, müssen die Bewerber einen schriftlichen Fragebogen ausfüllen, der vom Wirtschaft- und Währungsausschuss erstellt wird. Auch haben sie an einer vom Ausschuss durchgeführten Anhörung im Europäischen Parlament teilzunehmen, in der die Mitglieder die fachliche Eignung des Bewerbers für die Stelle und seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Parlament prüfen können. Wenn auch die Stellungnahmen des Parlaments in diesen Fällen nicht rechtlich verbindlich sind, wäre es doch politisch unklug, wenn die Regierungen der EU ein Mitglied des Direktoriums ernennen würden, das vom gesamten Parlament abgelehnt wurde.
Die Beschlussorgane der EZB
Die EZB verfügt über zwei Beschlussorgane. Der EZB-Rat setzt sich aus dem Direktorium und den Präsidenten der Zentralbanken des Euro-Währungsgebiets zusammen und legt die allgemeine Geldpolitik für das Euro-Währungsgebiet sowie die Zinssätze fest. Das Direktorium, dessen sechs Mitglieder von den Staats- und Regierungschefs der Länder des Euro-Währungsgebiets ernannt werden, führt die Währungspolitik auf der Grundlage der Richtlinien des EZB-Rats durch.
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